Donnerstag, 25. April 2013

Aller Tage Abend [Rezension]

Nach "Lesen und Leben" habe ich mir vorgestern sogleich das nächste "Uni-Auftrags"-Buch gekrallt und sogar -aufgrund meiner sonstigen Leselangsamkeit beträchlich- innerhalb eines Tages ausgelesen.

Inhalt:


Ein Säugling verstirbt unerwartet - mit dem Tod eines jungen Kindes sieht seine Familie auch gleichzeitig immer dessen mögliche Zukunft sterben. Sieht die Spiele, die es hätte spielen können, die Arbeit, die es später ergreifen könnte, die Familie die es vielleicht selbst gründen würde. Mit einem solchen "was wäre wenn" zieht Jenny Erpenbeck ihren Roman auf und erzählt was passiert wäre, wenn die junge Mutter der Protagonistin sich eben doch zu helfen gewusst hätte und etwas gegen plötzlichen Atemnot ihres Kindes ausrichten hätte können.

Mistys Meinung:


Dass ich dieses Buch innerhalb eines Tages ausgelesen habe liegt definitiv nicht nur an meinem momentanem Lesedruck von Seiten meines Studiums. Die Autorin erzählt eine eindrucksvolle und vor allem bewegende Geschichte mit deren Konzept ich mich sofort anfreunden konnte.

Die Idee ein Leben aufzuzeichnen, das eigentlich -so kommt zu Beginn klar heraus- nicht stattfinden hätte können, da die Protagonistin kurz nach der Geburt erstickt, fand ich sofort interessant. Entgegen meiner Annahmen konstruiert Jenny Erpenbeck aber zunächst vor allem ein Leben, das von Entbehrungen und Schicksalsschlägen gezeichnet wird, die bei mir mehrmals die Fragestellung aufwarfen, ob sich dieses Überleben denn für alle Beteiligten "gelohnt" hat. Die Protagonistin, die zunächst namenlos bleibt und Tochter einer Jüdin ist, wächst in Wien Anfang des 20. Jahrhunderts auf, erlebt die Gefahr durch den Krieg, führt in ihrer Jungend einen erbitterten Kampf gegen den Hunger und wird sehr bald auch mit der Enttäuschung durch die Liebe konfrontiert, woraufhin sie sich sogar das Leben nimmt. Doch die Autorin zieht ihre Erzählung weiter, abermals mithilfe des Schemas "was wäre wenn die Figur dieses Schritt nicht getan hätte, sondern stattdessen..." und so hat man als Leser schnell Teil an der Flucht des jungen Mädchens nach Moskau usw.. Einerseits freute ich mich über diese  neuen Chancen, die der Hauptfigur gegeben wurden, andererseits bangte ich auch um sie wegen erneuter Schicksalsschläge und war mir gleichzeitig nicht immer im Klaren, welche Realität denn letztlich eigentlich die wahre ist (da das Überleben der Figur zunächst immer nur im Konjunktiv zu lesen ist).

Dieses Fortführen der Handlung durch Änderung kleiner Details im jeweiligen nächsten Kapitel fand ich ausgesprochen spannend und ließ mich gern auf die jeweilige Fortführung ein. In Summe emfand ich jedoch die Grundstimmung, in der sich die Hauptfiguren fast immer befinden, als ein wenig zu melancholisch beziehungsweise schwermütig und konnte mich auch nicht immer mit den Gedanken anfreunden, die diese -zum Teil einfach viel zu jung um, meiner Meinung nach, dazu fähig zu sein- manchmal entwickeln. Diese Einstellungen wirken desöfteren ein wenig zu sehr von der Autorin hinheingelegt.

Trotzdem berührte mich der Handlungsverlauf und vor allem der Schluss des Buches wirklich sehr und das Leben der Figur hinterließ einen großen Eindruck bei mir.

Fazit:


Ein sehr interessantes Konzept -mittels kleiner Änderungen in der Handlung ein Leben komplett zu verändern und überhaupt erst möglich werden zu lassen- das die Autorin gekonnt in eine Zeitgeschichte zu setzen weiß, wenn auch mit einer gehörigen Portion an Schwermut.

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Titel: Aller Tage Abend
Autorin: Jenny Erpenbeck
Sprache: Deutsch
Gebundene Ausgabe: 282 Seiten

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