Montag, 8. Juli 2013

Unrast [Rezension]

Abgesehen von meinem anschaulichen privaten SuB, gäbe es ja auch zahlreiche Bücher, die ich für meine Seminararbeiten lesen müsste...doch da ich nur wenige Minuten von der Stadtbibliothek entfernt wohne habe ich beschlossen mir endlich einen Ausweis anfertigen zu lassen. Nach dessen Erhalt war es definitiv angebracht, dass ich mir ganz wie im Schatten des Windes erstmal ein Buch aussuchen musste (natürlich nur zum Ausborgen). Hochmotiviert streifte ich die Regalreihen ab und zog auf gut Glück ein Buch hevor, dessen Titel sehr interessant klang.


Inhalt:


Eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn verschwindet spurlos, eine unglückliche Ehefrau entflieht ihrem starren Leben und verlässt ihr Zuhause, ein Sultan reist auf der Suche nach wertvollen Präperaten für seine Sammlung und die Ich-Erzählerin befindet sich ohnehin auf permanenter Wanderschaft. In welcher Verbindung stehen diese Figuren?

Mistys Meinung:


Olga Tokarczuk befasst sich in diesem Roman mit dem Reisedrang und Nomadentum des Menschen. Die Ich-Erzählerin wird pausenlos innerlich getrieben von einem Ort zum nächsten zu reisen und neben einigen wirklich schön formulierten psychologisch und philosophisch motivierten Gedanken werden auch die anderen Reisenden beschrieben, die ihr auf ihrer scheinbar endlosen Reise begegnen. Mit dem wiederkehrenden Satz "Das Ziel des Pilgers ist ein anderer Pilger" widmet sie sich von kurzen Erwähnungen bis hin zu ausgedehnten Kapiteln den anderen Reisenden und beschreibt sehr detailiert und einfühlsam Ausschnitte aus deren Leben. Die Konzentration liegt dabei immer auf dem"Unterwegssein", beginnend beim Aufbruch.

Auch der menschliche Körper ist immer wieder ein entscheidendes Moment in der Geschichte. Die Ich-Erzählerin ist -ebenso wie viele gegenwärtige und vergangene Figuren, die sie beschreibt - auf der Suche nach Präperaten, die Anomalien beinhalten. Dank der Autorin begibt sich der Leser dadurch auch auf eine Reise durch den menschlichen Körper und kann sich wiederholt dessen spannende Vorgänge ins Gedächtnis rufen.

In Summe ist das Werk eine sehr gelungene Erzählung über das Umherziehen in der Welt und eine Absprache an das Sesshaftsein des Menschen. Durch die Augen der Ich-Erzählerin bekam ich dadurch an sehr vielen Stellen des Buches ebenso Lust einfach irgendwo aufzubrechen und weg von den alltäglichen Zeiteinheiten zu gehen. Als große Freundin von "Collage"-ähnlichem Aufbau in Geschichten konnte ich auch dieses Buch sehr genießen und war aufmerksam damit beschäftigt Zusammenhänge herzustellen. Insofern durchaus ein Buch, das ein wenig Konzentration verlangt, aber den Leser wirklich reichlich belohnt.

Fazit:


Eine tiefsinnige, facettenreiche und vorallem sehr poetische Erzählung mit vielen unterschiedlichen Figuren, denen alle das Reisen gemein ist. Empfehlenswert!

Leseprobe:


"Das, was mich beleidigt, lösche ich aus meinen Landkarten. Orte, in denen ich gestolpert und gefallen bin, wo man mich geschlagen, mir irgendein Leid zugefügt hat, wo etwas mir wehgetan hat, die hören auf, für mich zu existieren."*

*Olga Tokarczuk: Unrast. Frankfurt am Main: Schöffling und Co. 2009, S.115
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Titel: Unrast
Autorin: Olga Tokarczuk
Sprache: Deutsch
Gebundene Ausgabe: 456 Seiten

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