Samstag, 26. Oktober 2013

Eine ferne Art des Lebens [Zitat]

" [...]sie dachte manchmal, es müßte noch eine andere, ferne Art des Lebens für sie bestimmt sein. Es war das vielleicht nur die Form eines Gedankens, die von früher in ihr zurück geblieben war, nicht ein wirklich gemeinter Gedanke, sondern nur ein Gefühl, wie es ihn einst begleitet haben mochte, eine leere, unaufhörliche Bewegung des Spähens und Hinaussehens, die - zurückweichend und nie zu erfüllend - ihren Inhalt längst verloren hatte und wie die Öffnung eines dunklen Gangs in ihren Träumen lag."´*

Robert Musil: Vereinigungen. Zwei Erzählungen, in: ders.: Gesammelte Werke. Hg. v. Adolf Frisé, S. 164

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Die Pest [Rezension]

Seeeeeehr lange lag dieses Buch angefangen auf meinem Nachtkästchen und tatsächlich musste ich es in der in dieser Zeit gleich zweimal verlängern lassen weil ich mich einfach nicht aufraffen konnte es zu lesen aufgrund anhaltender Leseflaute. Das arme Werk sah so den Sommer vergehen und erst als die ersten bunten Blätter über den Friedhof geweht wurde stellte ich mich dieser "Plage" wieder.



Inhalt:


In der südafrikanischen Stadt Oran scheint es besinnlich zuzugehen, ehe mit einem Male die Ratten zu tausenden aus dem Untergrund schlüpfen um auf den Straßen und Plätzen der Stadt zu sterben. Die anfängliche Bewunderung der Einwohner schlägt bald in Entsetzen um als sie begreifen müssen, dass die Tiere dabei einen hartnäckigen Pest-Erreger auf die Menschen übertragen haben. Die Stadttore werden verschlossen und somit sehen sich ihre Bewohner in dieser Abgeschlossenheit ganz alleine mit der Seuche konfrontiert.

Mistys Meinung:


Da ich mir immer wieder gerne einen Weltliteratur-Klassiker schnappe um ihn auf meiner persönlichen, rein im Kopf existierenden Liste abhaken zu können erschien mir dieses Werk genau richtig und ich wurde nicht enttäuscht.

Obwohl ich eigentlich absolut kein Fan von Dystopien und "Katastrophen-Literatur" (wie auch immer die genaue Definition sein mag) bin konnte ich an dieser Geschichte sofort Gefallen finden. Der Ausbruch der Krankheit wird zwar relativ realistisch beschrieben, doch erfolgt dies rein durch die Perspektive der Figuren und des Erzählers, der sich selbst als zur Stadt gehörend zu erkennen gibt. Dadurch stehen vor allem die Handlungen und Gedanken der Figuren im Vordergrund, die Pest wird zunächst durch sie eher beiläufig erwähnt, wenn sie sich auch immer mehr in deren Bewusstsein drängt.

Zwar ist zu erwähnen, dass die Figuren für mich etwas abgeflacht erschienen, was sie aber nicht weniger interessant macht, besonders wenn man das Buch als Parabel lesen möchte. Die Gedanken und vorallem die Ergebnisse zu denen die Hauptcharaktere kommen sind mitunter sehr philosophisch und wirklich schön formuliert, sodass ich mir fast schon seitenweise Textstellen heraus geschrieben habe.

Fazit:


Ein absolut lesbares Buch mit vielen wertvollen Figuren-Gedanken, welche die manchmal spürbare Einseitigkeit der Charaktere gut aufheben.

Leseprobe:


"Er wußte, was seine Mutter dachte und daß sie ihn in diesem Augenblick liebte. Aber er wusste auch, daß es nicht vie bedeutet, einen Menschen zu lieben, oder zumindest, daß eine Liebe nie stark genug ist, um den ihr gemäßen Ausdruck zu finden. So würden er und seine Mutter sich immer schweigend lieben. Und sie würde ihrerseits sterben - oder er- ohne daß sie ihr Leben lang aneinander ihre Zuneingung deutlicher hatten bekennen können. Genauso hatte er neben Tarrou gelebt, und dieser war nun tot, ohne daß ihre Freundschaft Zeit gehabt hätte, wirklich gelebt zu werden. Tarrou hatte, wie er sagte, die Partie verloren. Aber was hatte er, Rieux, gewonnen? Er hatte nur gewonnen, die Pest gekannt zu haben und sich daran zu erinnern, die Freunschaft gekannt zu haben und sich daran zu erinnern, ihre Zuneingung zu kennen und sich eines Tages daran erinnern zu dürfen. Alles, was der Mensch beim Spiel der Pest und des Lebens gewinnen konnte, waren Erkenntnis und Erinnerung."

*Albert Camus: Die Pest. Hamburg: Rowohlt Verlag 1997, S.330
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Titel: Die Pest
Autor: Albert Camus
Sprache: Deutsch
Gebundene Ausgabe: 349 Seiten

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Die Verwirrungen des Zöglings Törleß [Rezension]

Wie bereits vorangekündigt kommt es bei mir endlich wieder zu vermehrten Lesestunden und so kann ich nun meine erste Rezension seit langem posten. In Robert Musils "Der Mann ohne Eigenschaften" habe ich bereits desöfteren reingeschnuppert, letztlich fehlte mir aber doch der Mut mich diesem umfangreichen Werk zu stellen. - So kam mir sein Debütroman "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" sehr gelegen.




Inhalt:


Auf sein Drängen hin wird der junge Törleß von seinen Eltern auf einem Provinzinternat untergebracht, auf dem ihn zunächst großes Heimweh plagt. Schließlich weicht dieses jedoch, allerdings nicht ohne durch anderen seelischen Unmut ersetzt zu werden. Törleß versucht dem zu entgehen und versucht sich mehrmals zu erklären was in seinem Inneren vorgeht. Dabei gerät er an die beiden anderen Konviktschüler Beineberg und Breiting, die ihre eigenen Unzufriedenheiten grausam an schwächeren Mitschülern auslassen. Als der Mitschüler Babini aufgrund eines Diebstahls Opfer ihrer Tyrranei wird hat dies auch für Törleß ungeahnte Folgen.

Mistys Meinung:


Als Einstiegswerk nach zwei Monaten fast gänzlich ohne Lektüre forderte mich dieses Werk die ersten Seiten ordentlich und es war doch einiges an Konzentration notwendig um mit der dichten Schreibweise, die mit vielen verschlungenen Nebensätzen einhergeht, zurecht zukommen. War dies jedoch getan konnte ich den Schreibstil nur genießen und er tat einen Großteil daran, dass ich dieses Buch nur empfehlen kann.

Das Buch, das zu einem Großteil aus den sehr tiefgründigen Reflexionen der aufwachsenden Schüler besteht (denn auch die Vorstellungen Beinebergs und Breitings werden vermehrt beschrieben) sorgt zwar etwas für Verwirrung, wobei es seinem Titel sehr gerecht wird. Vorallem die Gedanken und Gefühle von Törleß sind mitunter recht philosophisch und manchmal fast ein wenig zu verschlungen. Bei konzentriertem Lesen gelingt es jedoch im Laufe des Buches, ebenso wie der Figur selbst, diese Gedankengänge zu entknoten und die Bedrüfnisse des Schülers zu verstehen.

Dabei fand ich jedoch den Handlungsverlauf überaus überraschend und sehr spannend. Wirklich erstaundlich war dabei jedenfalls der explizite Umgang mit der Homoerotik, deren Vorkommen ich in einem Buch dieser Zeit (das Buch wurde 1906 veröffentlicht) nicht in derlei Form erwartet hätte. Doch auch gerade der Aspekt der Wahrnehmung, die psychologischen Prozesse und nicht zuletzt die Ethik, die bei der Hauptfigur oftmals zu kurz kommt macht den Fortlauf der Geschichte besonders lesenswert. Dabei Erinnerte mich manche Passage an "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" von Rilke und ebenfalls an Goethes Werther und behielt trotzdem einen ganz eigenen, sprachlich sehr hochwertigen Erzählstil.

Die Ausgabe der Suhrkamp BasisBibliothek enthält übrigens ein sehr ausführliches Nachwort, dass das Verständnis bzw. die Auslegung erleichtert. Wenn auch die Worterklärungen des Textes am Seitenrand eher unnötig sind.

Leseprobe:


"»Ich denke, du konntest es an deinem Professor sehen. Du, - wenn du auf so etwas kommst, schaust dich sofort um und fragst, wie stimmt das jetzt zu allem übrigen in mir? Die haben sich einen Weg in tausend Schneckengängen durch ihr Gehirn gebohrt, und sie sehen bloß bis zur nächsten Ecke zurück, ob der Faden noch hält, den sie hinter sich herspinnen. Deswegen bringst du sie mit deiner Art zu fragen in Verlegenheit. Von denen findet keiner den Weg zurück. Wie kannst du übrigens behaupten daß ich übertreibe? Diese Erwachsenen und die ganz Gescheiten haben sich da vollständig in ein Netz eingesponnen, eine Masche stützt die andere, so daß das Ganze Wunder wie natürlich aussieht; wo aber die erste Masche steckt, durch die alles gehalten wird, weiß kein Mensch. [...]«"*

*Robert Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß. Berlin: Suhrkamp Verlag 2013, S.117
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Titel: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß
Autor: Robert Musil
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 289 Seiten

Samstag, 5. Oktober 2013

Tägliches Sterbenlegen [Zitat]

"Aber gerade das war es, war Törleß nicht verstand. Die geduldigen Pläne, welche für den Erwachsenen, ohne daß er es merkt, die Tage zu Monaten und Jahren zusammenketten, waren ihm noch fremd. Und ebenso jenes Abgestumpftsein, für das es nicht einmal mehr eine Frage bedeutet, wenn wieder ein Tag zu Ende geht. Sein Leben war auf jeden Tag ausgerichtet. Jede Nacht bedeutete für ihn ein Nichts, ein Grab, ein Ausgelöschtwerden. Das Vermögen sich jeden Tag sterben zu legen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, hatte er noch nicht erlernt."*

*Robert Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß. Berlin: Basis-Surkamp Verlag 2013, S.48

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Ein Lebenszeichen [News]

Eine sehr lange Zeit ist vergangen seit ich meinen letzten Post auf dem Friedhof der vergessenen Bücher hinterlassen habe. Ich hatte meinen Bücherfriedhof jedoch nicht vergessen, sondern wegen einem Haufen organisatorischem und anderwertigem Stress schlicht keine Motivation zu lesen. Mit Semesterbeginn soll sich das aber wieder ändern und ich möchte mich voller Elan auch wieder dem Bloggertum zuwenden. Allein studiumsbedingt habe ich eine Menge interessanter Lektüre vor mir und verspreche einige Rezensionen.

So soll es auch auf diesem Blog -entsprechend der Jahreszeit- wieder angemessen bunt werden.